Die Aufklärung ist eine gesamteuropäische Erscheinung, welche sich über England und Frankreich auch nach Deutschland ausbreitete. Verstand und Vernunft wurden durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse zur Richtlinie. Immanuel Kants Satz "Habe mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" wurde zum Wahlspruch dieser Epoche.
Die Literatur dieser Zeit hat vor allem eine erziehende und aufklärende Funktion. Zum ersten Mal stand auch der bürgerliche Stand auf der Bühne. Fabeln waren sehr beliebt, um versteckte Kritik an der Gesellschaft und am System zu äussern.
Definition von Immanuel Kant:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschliessung und des Mutes liegt, sich ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
"Alle Erkenntnis beruht allein auf der Erfahrung."
Die Vorstellung, dass der Mensch angeborene Ideen und Intuitionen hat, wurde verworfen. Die Menschen gleichen somit einem weißen Blatt bei ihrer Geburt, welche im Laufe ihres Lebens „beschrieben“ werden.
"Die Vernunft ist die Quelle der Erkenntnis."
Diese Denkrichtung basiert auf der Annahme, dass Menschen Wissen nur mit Hilfe der Vernunft gewinnen können. Die Vernunft hat deshalb den Vorrang vor aller Erfahrung. Erfahrung basiere auf Sinneswahrnehmungen und -empfindungen, welche der Erfassung einer rationalen Umwelt nicht genügen würden.
Diese literarische Gattung hat wegen ihrer erzieherischen Wirkung eine wichtige Rolle in der Aufklärung gespielt. Oft werden auf gesellschaftliche Probleme angespielt und mit Hilfe von sprechenden Tieren dargestellt. Ein Beispiel für eine Fabel ist:
Das Pferd und die Bremse - von Christian Fürchtegott Gellert
Ein Gaul, der Schmuck von weissen Pferden,
Von Schenkeln leicht, schön von Gestalt,
Und, wie ein Mensch, stolz in Geberden,
Trug seinen Herrn durch einen Wald;
Als mitten in dem stolzen Gange
Ihm eine Brems entgegen zog,
Und durstig auf die nasse Stange
An seinem blanken Zaume flog.
Sie leckte von dem heissen Schaume,
Der heeficht am Gebisse floß;
Geschmeiße! sprach das wilde Roß,
Du scheust dich nicht vor meinem Zaume?
Wo bleibt die Ehrfurcht gegen mich?
Wie? darfst du wohl ein Pferd erbittern?
Ich schüttle nur: so mußt du zittern.
Es schüttelte; die Bremse wich.
Allein sie suchte sich zu rächen;
Sie flog ihm nach, um ihn zu stechen,
Und stach den Schimmel in das Maul.
Das Pferd erschrack, und blieb vor Schrecken,
In Wurzeln mit dem Eisen stecken,
Und brach ein Bein; hier lag der stolze Gaul.
Auf sich den Haß der Niedern laden,
Dieß stürzet oft den größten Mann.
Wer dir, als Freund, nicht nützen kann,
Kann allemal, als Feind, dir schaden.
Auffallend ist die starke Hierarchie der Tiere. Das Pferd ist traditionell edel, die Bremse ein lästiges Insekt. Wenn wir dies nun auf die menschliche Ebene übertragen, könnte hier der Umgang des Adels mit seinen Untergebenen gemeint sein. Gellert prangert Stolz, Anmassung und Arroganz an und stellt die Folgen drastisch dar. Das Sprichwort "Hochmut kommt vor dem Fall." ist bei dieser Fabel sehr passend.
Als Parabel wird eine lehrhafte Textsorte bezeichnet, die durch den Empfänger (Leser, Hörer) entschlüsselt werden muss. Sie hat meist auch den Sinn, den Leser zu belehren oder ihm die Wahrheit auf verschlüsselte Art und Weise darzustellen.
1. Akt
Das Stück spielt zur Zeit des dritten Kreuzzugs in Jerusalem. Zurückgekehrt von einer Handelsreise, erfährt der Kaufmann Nathan, dass seine Adoptivtochter Recha von einem christlichen Tempelherrn bei einem Brand gerettet wurde. Dieser - entgegen den üblichen Gewohnheiten von Sultan Saladin begnadigt - will keinen Dank annehmen. Ein Klosterbruder soll ihn im Auftrag des Bischofs von Jerusalem zu einem politischen Mord an Saladin überreden.
2. Akt
Nathan kann den Tempelherrn in seinem Antisemitismus beschämen. Der freigiebige und grosszügige Sultan braucht für seine mildtätigen Zwecke Geld und schickt nach Nathan.
3. Akt
Der Tempelherr verliebt sich in Recha , die ihn unbewusst bereits liebt und ihm in einem Gespräch für die Rettung dankt. Saladin bittet Nathan nicht um Geld, sondern stellt ihn mit der Frage, was die wahre Religion sei, auf die Probe. Nathan antwortet mit einem Gleichnis, der Ringparabel, worauf der Sultan tief beeindruckt ist und Nathan bittet, sein Freund zu sein. Der Tempelherr wartet auf Nathan und will Recha heiraten. Nathan muss erst Klarheit über die Herkunft des Tempelherrn bekommen. Danach erfährt dieser, dass Recha nicht die leibliche Tochter von Nathan ist. Recha weiss nichts davon, sie wurde als christlich getauftes Waisenkind von Nathan angenommen. Das ist aber nach dem Gesetz nicht erlaubt, denn kein Christenkind darf bei einem Juden leben.
4. Akt
Der enttäuschte Tempelherr will Nathan zunächst beim Patriarchen verraten. Von dessen Judenhass und Grausamkeit abgeschreckt, klagt der Ritter dem Sultan sein Leid. Dieser sieht in ihm immer deutlicher die Ähnlichkeit mit seinem verstorbenen Bruder. Im Gespräch zwischen Nathan und einem Klosterbruder wird klar, dass dieser Nathan Recha als Säugling übergeben hat, kurz nachdem Christen bei einer Judenverfolgung Nathans Familie ermordet hatten.
5. Akt
In Gegenwart des Sultans löst sich das Problem: Recha und der Tempelherr sind Kinder des verstorbenen Bruder des Sultans, welcher mit einer Christin verheiratet war.
TEXT
Ein Mann besitzt ein Familienerbstück, einen Ring, der die Eigenschaft hat, seinen Träger vor Gott und den Menschen angenehm zu machen, wenn der Besitzer ihn in dieser Zuversicht trägt. Dieser Ring wurde über viele Generationen vom Vater an den Sohn vererbt, den er am meisten liebte. Eines Tages tritt der Fall ein, dass ein Vater drei Söhne hat und keinen von ihnen bevorzugen will. Deshalb lässt er sich exakte Kopien des Ringes herstellen und vererbt jedem seiner Söhne einen dieser Ringe.
Nach dem Tode des Vaters ziehen die Söhne vor Gericht, um klären zu lassen, welcher von den drei Ringen der echte sei. Der Richter ist aber außerstande, das zu ermitteln, da sich die Ringe vollends gleichen. So erinnert er die drei Männer daran, dass der echte Ring die Eigenschaft habe, den Träger bei anderen Menschen beliebt zu machen. Wenn dieser Effekt bei keinem eingetreten sei, dann ist der echte Ring wohl verloren gegangen.
Der Richter gibt den Söhnen den Rat, jeder von ihnen solle daran glauben, dass sein Ring der echte sei. Ihr Vater habe alle drei gleich gern gehabt und es deshalb nicht ertragen können, einen von ihnen zu begünstigen und die beiden anderen zu kränken, so wie es die Tradition eigentlich erfordert hätte. Wenn einer der Ringe der echte sei, dann werde sich dies in der Zukunft an der ihm nachgesagten Wirkung zeigen. Demzufolge sollten sich alle Ringträger bemühen, dass dieser Effekt eintritt.
DEUTUNG
Die Ringparabel, wie sie von Gotthold Ephraim Lessing in Nathan der Weise verarbeitet wurde, gilt als ein Schlüsseltext der Aufklärung, da sie auf die Toleranzidee verweist, wenn unterschiedliche Überzeugungen in Bezug auf die Religion als zulässig gelten. Eine mögliche Deutung wäre also, dass jede Religion, die nur sich selbst akzeptiert und anderen Religionen ihre Existenzberechtigung abspricht, selbst nur Betrug wäre und selbst betrogen ist, wenn andere Religionen genau den gleichen Anspruch verfolgen. Es geht also um die Toleranz der Religionen sowie ihrer Anhänger untereinander. Dieser Gedanke ist aufklärerisch und auch aus heutiger Sicht absolut modern.
Da es in der Ringparabel unentscheidbar bleibt, welcher Ring denn der richtige ist, sollen ihre Träger, auf Anraten des Richters, versuchen, die Echtheit des eigenen Ringes unter Beweis zu stellen, was sich dadurch äußern sollte, dass sie unter den Menschen beliebter als die anderen wären. Entscheidend ist hierbei aber, dass dafür nicht alle Mittel recht erscheinen. Die Ringträger sollen mit Sanftmut, herzlicher Verträglichkeit, Wohltun und innigster Ergebenheit in Gott bei der Verbreitung ihrer Ansichten agieren.
In der Ringparabel wird demzufolge nicht nur eine religiöse Toleranz propagiert, sondern außerdem eine Art der religionsübergreifenden Humanität. Menschen sollen folglich die eigene Religion würdigen sowie nach außen bekunden, aber um deren Richtigkeit nur mit Wohlwollen und Sanftmut streiten und sich dabei mit anderen Religionen herzlich vertragen. Aufklärerisch ist hierbei weiterhin, dass es nicht zu beurteilen ist, welche Religion die richtige, also wahre, ist, weshalb es grundsätzlich keine richtige Religion gibt.