NEUZEIT / POSTMODERNE

Allgemeines über die Epoche

Als Postmoderne (lat. post = nach) bezeichnet man eine literarische Strömung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Postmoderne verfügte über kein Programm, es gab auch keine Schulen oder Gruppen, in denen sich postmodern nennende Autoren zueinander fanden. Die Gemeinsamkeit lag hauptsächlich in dem Gefühl, dass das Leben des Menschen im 20. Jahrhundert einen universellen Sinnverlust erlitten habe. Die Postmoderne war gewissermaßen der Versuch, mit den begrenzten und fragwürdig gewordenen Mitteln der Literatur auf diese Sinnkrise zu reagieren.

Nachdem 1989 die Mauer gefallen war, Deutschland sich wieder vereinigt hatte und der Kalte Krieg zu Ende war, setzte in Europa ein Gefühl der Unsicherheit ein. Man wusste nicht recht, was jetzt passieren würde, denn nahezu alle bisherigen Ideologien und Weltanschauungen waren gescheitert. Dies führte dazu, dass die Anhänger der Postmoderne, die ihre Anfänge in der neuen Subjektivität hatten, einen klaren Schlussstrich unter alle bisherigen Werte setzten. Es gab keine prägende Kraft mehr und die Autoren hatten freie Hand, worüber sie schreiben wollten. Allerdings waren sie der Ansicht, dass alles, was sie schrieben, ein Zitat sei, da irgendjemand vor ihnen sicher schon darüber geschrieben habe. Dies ist ein weiteres Indiz für die Unsicherheit dieser Generation. Aus diesem Grund verlieren auch die grossen Werte wie die Liebe, die Familie oder auch der Respekt an Bedeutung. 

Themen der Epoche: Die Literatur nach 1989 weist fünf Hauptmerkmale auf:

1. Suche nach der eigenen Identität: Dabei werden die Ideen der neuen Subjektivität weitergeführt und die Autoren stellen sich nun fundamentale Fragen wie beispielsweise, wer bin ich, was mache ich, woher komme ich.
2. Erinnerung der 3. Generation: Dabei versucht man seine eigene Vergangenheit aufzuarbeiten und setzt sich dabei mit der Väter-Generation auseinander. 
3. Ironie und Vergnügen: Die grosse Mehrheit der Werke der Postmoderne wird verfasst, um den Leser zu unterhalten. Ironische und humoristische Werke sind daher häufig und gern gesehen innerhalb dieser Bewegung. 
4. Intertextualität: Ein weiteres sehr wichtiges Element der Postmoderne ist das Spiel mit tradierten Mustern, Mythen und Motiven. Die postmodernen Texte sind voll von Anspielungen auf andere Werke, auf traditionelle Erzählstile, bekannte Motive oder kulturelles und historisches Wissen. Oftmals werden diese Anspielungen absichtlich verwendet, dass der Leser diese bemerkt und sich darüber amüsieren kann. 
5. Mehrfachcodierung: Die Texte der Postmoderne sprechen ein sehr breites Leserpublikum an und dies nicht nur, weil sie leicht verständlich und unterhaltsam geschrieben sind. Die besondere Kunst besteht darin, die Themen in den Texten so zu behandeln, dass sie sowohl für den Laien als auch für den Experten interessant sind.

Das Muschelessen - Birgit Vanderbeke

 Birgit Vanderbekes 1990 veröffentlichte Erzählung »Das Muschelessen« schildert den Zusammensturz einer scheinbaren Familienidylle innerhalb weniger Stunden. Vor einem Topf mit Muscheln wartet die Familie in der Küche auf die Rückkehr des Vaters von einer Dienstreise. Die volljährige Tochter und Ich-Erzählerin beginnt, mit dem abwesenden Patriarchen abzurechnen, der jüngere Bruder und die Mutter schließen sich an und am Ende des Abends ist nichts mehr, wie es war.

Der Vater soll um sechs Uhr abends von einer Dienstreise zurückkommen. Da eine Beförderung zu feiern ist, hat die Mutter Muscheln vorbereitet, die in der Familie in Erinnerung an die Hochzeitsreise der Eltern als Festessen gelten. Während der Berg lebender Tiere im Topf klappert, versuchen sich alle auf den Vater einzustellen, um seiner Idee von einer »richtigen Familie« zu entsprechen.

Das Warten auf den sonst pünktlichen Vater macht gereizt, und nach einer Stunde wünscht sich die Tochter, dass er gar nicht mehr käme. Kurz vor acht kocht die Mutter die Muscheln, aber niemand mag davon essen. Zögernd beginnt man, darüber zu sprechen, wie es wäre, wenn der Vater wegbliebe. Das gegenseitige Misstrauen sitzt tief, denn normalerweise denunzieren sich alle gegenseitig beim Vater.

Überraschend gibt die Mutter zu, oft Angst vor ihrem Mann zu haben. Der beansprucht für sich Vernunft und Sachlichkeit und verachtet sogenannte Gefühlsmenschen wie seine Frau und seinen Sohn. Er verlangt Zusammenhalt und verlässt sich dabei auf die unbedingte Anpassungsfähigkeit und Tatkraft seiner Frau. Ihm zuliebe hat sie auf ein Musikstudium verzichtet und sie war es auch, die die Familie in den ersten Jahren nach der Flucht aus der DDR in den Westen durchgebracht hat.

Inzwischen zeigt jeder offen seinen Ekel vor dem Muschelberg auf dem Tisch. Eine Flasche Wein sorgt für eine zunehmend gelöste Stimmung. Die Familie vermutet einen Autounfall des Vaters und malt sich aus, einen Sonntagvormittag lang nicht – im Wohnzimmer eingesperrt – seine Lieblingsopern anhören zu müssen. Die von ihm erzwungenen anschließenden Sonntagsausflüge waren allen ebenso verhasst wie die Urlaubsreisen in den Süden.

Nur wenn der Vater auf Dienstreise war, entstand vorübergehend wirkliche Gemeinschaft zwischen ihnen und gleichzeitig konnte jeder seinen eigenen Interessen nachgehen. Plötzlich taucht in der Runde die Frage auf, warum sich alle drei die Tyrannei des Vaters gefallen lassen.

Der Vater hat nie Verständnis für Angst oder Schwäche gezeigt. Er beschimpfte die Kinder als Feiglinge und Drückeberger. Den Sohn hält er für einen Versager, die Tochter für uncharmant und hässlich. Als Baby hat er sie wegen ihres Geschreis gegen die Wand geworfen. Dem Sohn wirft er die schlechten Schulleistungen vor, das Einserzeugnis der Tochter betrachtet er wegen des allgemeinen Leistungsverfalls als wertlos.

Von der Mutter kommt der Einwand, dass der Vater sich aus kleinen Verhältnissen hochgearbeitet und es schwer gehabt habe. Seine ärmliche Herkunft hat er verleugnet und sich seiner eigenen Mutter geschämt, erinnert sich die Tochter.

Um die Kinder zur Rede zu stellen, hatte sich der Vater mit jeweils einem von ihnen im Wohnzimmer eingeschlossen. Die abendlichen Verhöre endeten mit brutalen Prügeln, während derer die Kinder aufpassen mussten, nicht gegen den schweren eichenen Wohnzimmerschrank geschleudert zu werden. Sie gestehen, immer wieder überlegt zu haben, sich vor der Gewalttätigkeit des Vaters durch einen Sprung aus dem Fenster zu retten.

Die Mutter hat stets weggeschaut. Heimlich suchte sie Trost beim Musizieren; musische Neigungen in der Familie wurden vom Vater ebenso unterdrückt wie soziale Kontakte. Während er selbst mit Geld um sich warf, verspottete er seine Frau wegen ihrer Einfachheit und Sparsamkeit.

Bei der zweiten Flasche Wein verkündet die Mutter, sich nicht weiter ausnutzen und alles bieten zu lassen. Sie gibt zu, sogar erwogen zu haben, die Familie zu vergiften und dem freudlosen Leben ein Ende zu machen. Während sie sich jetzt dafür schämt, sind die Kinder froh, dass die Mutter endlich ihre versöhnliche Haltung aufgibt und Position bezieht.

Um Viertel vor zehn klingelt das Telefon und alle geraten in Panik. Die Mutter schwankt, dann fasst sie sich und ignoriert das Klingeln. Sie kippt die Muscheln in den Mülleimer und bittet ihren Sohn, den Müll hinunterzutragen.
Quelle: Das Muschelessen - Birgit Vanderbeke - Inhaltsangabe
https://www.inhaltsangabe.de/vanderbeke/das-muschelessen/
 Die Erzählung ist im Allgemeinen sehr trübselig und ernst. Es werden Verhaltensmuster verdeutlicht, die sicherlich in vielen Familien zu finden sind. Dieses Extrem in dieser Familie zeigt jedoch ganz klar, wohin dieses Ausmaß an Unterdrückung führen kann: Ein kleiner, unbedeutender Anstoß lässt Menschen oftmals ganz überraschend sehen, dass sie in Unterdrückung leben und selbst doch so vieles erreichen könnten.

Quelle: http://www.zusammenfassung.info/das-muschelessen-zusammenfassung